Dom Guéranger zum fünften Sonntag nach Pfingsten (1/3)

Der fünfte Sonntag nach Pfingsten.

Dieser Sonntag heißt bei den Griechen der fünfte des heiligen Matthäus. Bei den Lateinern war er lange Zeit unter dem Namen „Sonntag des Fischfangs“ bekannt, bis nämlich das Evangelium dieses Sonntags auf den Sonntag vorher vorgerückt wurde. Die Woche, welche mit ihm beginnt, heißt „erste Woche nach dem Feste der Apostel,“ oder in alten Lectionaren „des heiligen Petrus;“ in anderen wieder wird sie als zweite oder dritte Woche nach demselben Feste bezeichnet. Diese und ähnliche Verschiedenheiten begegnet man nicht selten in den liturgischen Werken des Mittelalters. Sie hängen mit dem bald früher bald später fallenden Osterfeste des Jahres zusammen, in welchem diese Schriften verfaßt wurden.

In dem heutigen Nocturnum hat die Kirche mit der Lesung des zweiten Buches der Könige begonnen. Dasselbe fängt mit der Erzählung von Saul’s unglücklichem Ende und der Thronbesteigung David’s an. Die Erhebung des Sohnes Jesse’s bezeichnet den Höhepunkt im prophetischen Leben des alten Volkes. In ihm hatte Gott seinen treuen Knecht [Ps. 88, 21] gefunden, und er zeigte ihn der Welt als das vollständigste Vorbild des künftigen Messias. Ein Schwur Gottes verbürgte dem neuen König die Zukunft seines Geschlechtes. Sein Thron sollte ewig dauern [Ps. 88, 36-38]: denn er sollte eines Tages der Thron Dessen werden, welcher der Sohn des Allerhöchsten genannt wurde, ohne daß er deßhalb aufhöre, David zum Vater zu haben [Luk. 1, 32].

Aber in dem Augenblicke, wo der Stamm Juda in Hebron dem Auserwählten des Herrn zujubelte, waren die Umstände nicht darnach angethan, ausschließlich Freude und Hoffnung zu erwecken. In der Vesper des gestrigen Tages erst entlehnte die Kirche eine ihrer schönsten Antiphonen dem Klagegesang, welcher dem David beim Anblicke des vom blutigen Schlachtfelde aufgehobenen Diadems Saul’s eingegeben wurde: „Berge von Gelboe,“ heißt es am angeführten Orte, „nicht Thau, nicht Regen falle fürder auf euch! Denn dort ward weggeworfen der Schild des Helden, der Schild Saul’s, als wär’ er nicht gesalbt mit Oel! Wie sind die Helden gefallen im Streit! Jonathas ist erschlagen auf deinen Höhen! Saul und Jonathas lieblich und schön in ihrem Leben, sind auch im Tode nicht geschieden!“

Der Umstand, daß das hohe Apostelfest vom 29. Juni und der Tag, an welchem das Officium der Zeit alljährlich diese Antiphon bringt, zeitlich nahe zusammenliegen, hat der Kirche den Gedanken eingegeben, die letzten Worte der obigen Antiphon auf die heiligen Apostelfürsten Petrus und Paulus während der Octave anzuwenden, und sie singt: „Ihr ruhmwürdigen Fürsten der Erde! Wie sie im Leben in Liebe eins gewesen, sind sie auch im Tode nicht geschieden [Ant. Oct. Apost. ad Benedict.].“ Wie das hebräische Volk in dieser Epoche seiner Geschichte, so hat auch die christliche Heerschaar mehr als einmal die Ankunft ihrer Führer nur auf der vom Blute ihrer Vorgänger gerötheten Erde begrüßen können.

[Quelle: Das Kirchenjahr von Dom Prosper Guéranger, Abt von Solesmes; Eilfter Band: Die Zeit nach Pfingsten; Mainz 1883; S. 87-89]

Kevelaerer Kreuzweg: 8. Station

[In meiner Textvorlage fehlen die Seiten 15 und 16. Daher kann ich den dort abgedruckten Text hier leider nicht bringen.]

V. Gekreuzigter Herr Jesus!

R. Erbarme Dich unser.

Barmherzigkeit, mein Jesus!

Trösterin der Betrübten, Mutter der Barmherzigkeit, erbitte mir Tränen über meine Sünden und über Jesu Leiden, und ein wohlwollendes Herz gegen Notleidende.

„Heilige Mutter, drück die Wunden,
Die Dein Sohn für mich empfunden,
Tief in meine Seele ein.“

Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung! (300 Tage Ablaß.)

Vater unser … Gegrüßet seist Du …

[Quelle: Via dolorosa! Schmerzensweg unseres Herrn oder Kreuzwegbüchlein nebst Andacht zu den sieben Schmerzen Mariä, besonders zum Gebrauche der Pilger in Kevelaer. Von Professor Dr. Bernh. Schäfer; Kevelaer 1911; S. -17]

Kevelaerer Kreuzweg: 7. Station

Siebente Station.

Jesus fällt zum zweiten Male.

V. Wir beten Dich an, Herr Jesus, und preisen Dich!

R. Denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöset.

Betrachtung. Mit der höher steigenden Sonne hebt sich auch der steinichte Kreuzweg mehr und mehr bergan. Noch einige Schritte, und Jesus ist unter den Toren Jerusalems. Seit dem letzten Abendmahle war Jesus weder Nahrung gereicht, noch die kürzeste Rast gestattet worden. Erschöpft und grausam gehetzt sinkt er abermals zu Boden. Der Grimm seiner Feinde steigerte sich, es folgen heftige Ausbrüche von Zorn und Verwünschungen, und unbarmherziges Drängen zur Eile, damit das Schlachtopfer noch vor dem Tode ans Kreuz geschlagen werden kann. Mit Stößen und Schlägen wird gegen ihn gewütet, an Stricken wird er gezogen und gezerrt. O wie wahr ist des Propheten Wort: Ich bin ein Wurm, kein Mensch.

Anmutung. Durch diesen zweiten schmerzlichen Fall wollte der Heiland meine schändlichen Gewohnheiten, meine häufigen Rückfälle in die alten Sünden sühnen. Er wollte mich belehren, wie kläglich und gefährlich es ist, wenn wir dieselbe schwere Sünde aufs Neue begehen.

[In meiner Textvorlage fehlen die Seiten 15 und 16. Daher kann ich den dort abgedruckten Text hier leider nicht bringen.]

[Quelle: Via dolorosa! Schmerzensweg unseres Herrn oder Kreuzwegbüchlein nebst Andacht zu den sieben Schmerzen Mariä, besonders zum Gebrauche der Pilger in Kevelaer. Von Professor Dr. Bernh. Schäfer; Kevelaer 1911; S. 14-]

Kevelaerer Kreuzweg: 6. Station

Sechste Station.

Veronika reicht Jesus das Schweißtuch.

V. Wir beten Dich an, Herr Jesus, und preisen Dich!

R. Denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöset.

Betrachtung. Von dem schweren Druck des Kreuzes hatte sich auf der Schulter des Heilandes eine tiefe Wunde gebildet. In Schweiß und Blut gebadet, aufs Aeußerste entstellt und erschöpft, schleppte er sich keuchend fort. Nur ein lebendes Wesen erzeigt ihm tätiges Mitleid. Die fromme Veronika hatte in ihrer Liebe den Mut, such durch die Rotte der Henker und Todfeinde Jesu zu drängen. Sie reicht dem Gotteslamm ihr Schweißtuch dar. Dankbar benützt es der Heiland, und stellt es ihr zurück mit dem blutigen Abdruck seines schmerzvollen Antlitzes.

Anmutung. Weit mehr Liebesdienste als Veronika bin ich meinem Heilande schuldig für tausendfache Gnaden und Wohltaten. Wie oft aber habe ich seine Güte mißbraucht, wie oft seine Gaben nur benützt, um ihn damit zu beleidigen! Das soll nicht wieder geschehen!

Gebet. Liebevollster Heiland, ich will das Bild Deines todblassen schmerzentstellten Antlitzes und Deines ganz bitteren Leidens meiner Seele treu und unauslöschlich einprägen und namentlich in jeder Versuchung mir vor Augen stellen, damit ich vor jeder sündhaften Einwilligung bewahrt bleibe. Dein heiliges Antlitz ist verunstaltet, weil meine Seele befleckt ist, die ein Ebenbild des dreieinigen Gottes sein sollte. Ich will dieses entstellte Ebenbild rein waschen durch Tränen der Reue und Buße. Mein ganzes Leben soll durch Erfüllung Deiner Gebote ein treuer Abdruck Deines Lebens und Deines Beispiels sein, damit ich mit dem Apostel sagen kann: „Nicht ich lebe, sondern Christus lebt in mir.“ Amen.

V. Gekreuzigter Herr Jesus!

R. Erbarme Dich unser.

Barmherzigkeit, mein Jesus!

Trösterin der Betrübten, Dein Leben war das treueste Abbild vom Leben Deines göttlichen Sohnes. Drücke das Bild seines hl. Antlitzes tief in mein Herz und mich in sein Herz.

„Heilige Mutter, drück die Wunden,
Die Dein Sohn für mich empfunden,
Tief in meine Seele ein.“

Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung! (300 Tage Ablaß.)

Vater unser … Gegrüßet seist Du …

[Quelle: Via dolorosa! Schmerzensweg unseres Herrn oder Kreuzwegbüchlein nebst Andacht zu den sieben Schmerzen Mariä, besonders zum Gebrauche der Pilger in Kevelaer. Von Professor Dr. Bernh. Schäfer; Kevelaer 1911; S. 12-14]

Dom Guéranger zum vierten Sonntag nach Pfingsten (3/3)

Zur Vesper.

[…]

Antiphon zum Magnificat.

Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen.

Gebet.

O Herr, wir bitten Dich, gewähre uns, daß durch deine ordnende Leitung nicht blos der Lauf der Welt für uns friedlich hingehe, sondern auch deine Kirche sich ungestörter Hingabe an Dich erfreuen dürfe. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

[Quelle: Das Kirchenjahr von Dom Prosper Guéranger, Abt von Solesmes; Eilfter Band: Die Zeit nach Pfingsten; Mainz 1883; S. 86-87]

Dom Guéranger zum vierten Sonntag nach Pfingsten (2/3)

Zur Messe.

Unmittelbar nach dem der allerheiligsten Dreifaltigkeit gewidmeten Feste hat die Kirche in ihren Nocturen die Lesung aus den Büchern der Könige begonnen und ist am heutigen Tage bis zu der Erzählung des Triumphes Davids über den philistäischen Riesen Goliath gelangt. Wer soll nun für die Kirche der wahre David sein, wenn nicht das göttliche Haupt, Christus, der schon seit achtzehn Jahrhunderten das Heer der Heiligen zum Siege führt? Ist nicht sie selbst in Wahrheit die Tochtes des Königs [1. Kön. 17, 25-27], die dem Sieger in jenem Kampfe zwischen Christus und Satan auf dem Calvarienberge verheißen worden: in jenem Kampfe, wo Christus das wahre Volk Isarel rettete, und die dem Herrn der Heerschaaren zugefügte Lästerung rächte? Noch ganz durchdrungen von den Gefühlen, welche dieses Ereigniß aus der heiligen Geschichte in ihrem bräutlichen Herzen entfacht, entlehrt sie im Introitus die Worte Davids [Ps. 26], um die Großthaten des Bräutigams zu besingen und laut das Vertrauen zu bekunden, welches sein Sieg unerschütterlich in ihr gefestigt hat.

Introitus.

Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollt’ ich fürchten? Der Herr ist der Beschirmer meines Lebens, vor wem sollt’ ich zittern? Meine Feinde, die mich quälen, werden kraftlos und fallen zu Boden.

Ps. Wenn ein Heerlager wider mich steht, so soll sich mein Herz nicht fürchten.

Ehre sei dem Vater etc.

Der Herr ist etc.

Trotz ihres Vertrauens auf die Hilfe des Himmels in schlimmen Tagen, erfleht die Kirche doch allezeit den Frieden der Welt von dem allerhöchsten Gott. Wenn angesichts des Kampfes die Braut freudig bei dem Gedanken bebt, daß sich jetzt ihre Liebe erproben könne, so fürchtet dagegen die gemeinsame Mutter für ihre Söhne. Wie manche gegen da in der Prüfung zu Grunde, welche ein ruhiges Leben gerettet hätte! Beten wir mit ihr in der Collecte:

Collecte.

O Herr, wir bitten Dich, gewähre uns, daß durch deine ordnende Leitung nicht blos der Lauf der Welt für uns friedlich hingehe, sondern auch deine Kirche sich ungestörter Hingabe an Dich erfreuen dürfe. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

Zweite Collecte.

O Herr, wir bitten Dich, bewahre uns vor allen Gefahren des Leibes und der Seele: und durch die Fürbitte der seligsten und glorreichen, allezeit reinen Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und des heiligen N. (nennt den Kirchenpatron) und aller Heiligen – verleihe uns gütiglich Heil und Frieden, damit Dir deine Kirche nach Wegräumung aller Widerwärtigkeiten und Irrthümer mit sicherer Freiheit diene. Durch denselben Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

Eine dritte Collecte fügt der Priester nach eigener Wahl bei.

Epistel.

Lesung des Briefes des heiligen Apostel Paulus an die Römer Cap. 8.

Brüder! Ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird. Denn das Harren des Geschöpfes ist ein Harren auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Denn das Geschöpf ist der Eitelkeit unterworfen, nicht freiwillig, sondern um Dessen willen, der es unterworfen hat auf Hoffnung hin; weil auch selbst das Geschöpf von der Dienstbarkeit der Verderbtheit befreit wird zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß alle Geschöpfe seufzen und in den Geburtswehen liegen immer noch. Und nicht allein sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes besitzen, ja wir selbst seufzen innerhalb unser und warten auf die vollendete Aufnahme zu Kindern Gottes, auf die Erlösung unseres Leibes: in Christo Jesu, unserem Herrn.

Die Erstlinge des Geistes sind die Gnade und die Tugenden, die er in unsere Seelen niedergelegt hat, als das Unterpfand des Heils und den Keim künftiger Herrlichkeit. Durch den Glauben im Besitze dieser ersten göttlichen Unterpfänder gefestigt, bewahrt nun die wiedergeborene Menschheit wie einen Stützpunkt im Elende, das sie rings umgibt, das Bewußtsein ihrer hohen Bestimmung. Vergebens müht sich Satan ab, in heißem Ringen die Rechte wiederum zu erkämpfen, welche alte Siege ihm einst über den Menschen verschafft haben. So schwer auch die Vertheidigung eines Landes sein mag, das schon einmal von den Verwüstungen des Feindes heimgesucht worden ist, so bekleidet doch die christliche Hoffnung den Menschen hienieden mit himmlischer Kraft. Bis in das Innere des Vorhangs geht sie hinein [Hebr. 6, 19] und erinnert ihn unaufhörlich an das von dem Apostel hervorgehobene Mißverhältniß zwischen den Mühen des Weges und der unendlichen Fülle der wahren Güter, welche unserer im beseligenden Lichte des Vaterlandes harren. Die göttlichen Verheißungen, das wunderbare Wirken des Heiligen Geistes in der Vergangenheit und Gegenwart verbürgen ihm die Zukunft. Ja noch mehr: die Erde, die ihn trägt, diese schmutzige, finstere Erde, welche ihn heute in der Sinnenwelt befangen hält, regt unmittelbar sein Sehnen nach Höherem an und theilt dasselbe in ihrer Weise. Das ist die Lehre des heiligen Paulus in unserer Epistelstelle. Dieser ungeordnete Wechsel, die fortwährende Unbeständigkeit in der materiellen Schöpfung in Verbindung mit den Zerstörungen durch die Sünde, fordern den schließlichen allgemeinen Triumph über die Verderbniß, welche deren Folge war. Der gegenwärtige Zustand der Welt bietet also auch einen ganz besonderen und sehr sicheren Beweggrund für die heilige Tugend der Hoffnung. Nur die könnten davon überrascht sein, welche keine Ahnung haben, wie hoch der in den übernatürlichen Zustand erhobene Mensch zugleich die seiner Herrschaft unterworfene Welt erhoben haben würde. Aber ihr unvollständiges Wissen würde vergebens anderswo die Erklärung des göttlichen Werkes und den Grund aller Dinge suchen. Die Wahrheit, welche alles auf Erden und im Himmel erklärt, das göttliche Axiom, das Princip und die Grundlage der Welt ist, daß Gott, der nothwendiger Weise alles zu seiner Verherrlichung geschaffen hat, aus freiem Willen die Vollendung dieser höchsten Herrlichkeit in den Triumph seiner Liebe gelegt; und zwar soll dies durch das unaussprechliche Geheimniß geschehen, in welchem Gott mit seinem Geschöpfe eins wird. Da nun die Erlangung dieser Vereinigung mit Gott der einzige Zweck der Schöpfung ist, so ist dieselbe auch das wahre Gesetz, das eigentliche Lebens- und Bildungsgesetz der Schöpfung. Als der Geist über den Wassern schwebte und die ungestaltete Materie für die Zwecke der unendlichen Liebe geeignet machte, da schöpften die verschiedenen zahllosen Elemente und Atome der im Entstehen begriffenen Welt in dieser unendlichen Liebe das Prinzip ihrer weiteren Entwickelungen und Bewegungen. Sie empfingen als einzigen Beruf die Aufgabe, den Geist iin der Leitung des Menschen, des Auserwählten der ewigen Weisheit, zur Vereinigung mit Gott, nach Maßgabe ihrer Eigenschaften zu unterstützen, beziehungsweise ihm als Werkzeug zu dienen. Die Sünde, welche den Bund brach, hätte zugleich auch die Welt zerstört, indem sie derselben den Grund ihres Daseins raubte, wenn nicht die unbegreifliche Geduld Gottes, trotz der ihm wiederfahrenen Schmähungen, das Erlösungswerk gleich in den ersten Plan aufgenommen hätte. Aber der gewaltsame Zustand des Kampfes und der Sühne ersetzte nunmehr den früheren, in welchem die Natur dem Menschen frei und gerne als dem Könige der Schöpfung gehuldigt. Die Vereinigung mit Gott sollte von nun an für die Welt nur noch die Frucht schmerzlichen Ringens sein, und Seufzen und Thränen lange Zeit hindurch den Gesängen des Triumphes und den Freuden der Vereinigung vorher gehen.

Die Menschen, welche kein anderes Gesetz als das des Fleisches kennen, mögen nur Ohren und Herzen den Lehren der positiven Offenbarung verschließen: die Materie selbst wird stets ihren Materialismus verdammen; die Natur, die sie als einzige Autorität anrufen, predigt allen Winden der Welt mit tausend Stimmen das Uebernatürliche. Die durchwühlte, in Folge ihres Falles in der Irre gehende Welt verkündigt in ihrem Elend und in ihrer Angst lauter und eindringlicher als je das erhabene Ziel des gefallenen Königs, dessen Erbtheil sie ist. O ihr geheimnißvollen Leiden der Elemente, ihr unaussprechlichen Seufzer, von denen der Apostel redet, ihr Thränen, welche die Dinge weinen, namenloses Sehnen, welches die Dichter besungen haben [Virg. Aen. I, 462], ihr seid in der That die einzige Poesie in diesem Lande der Prüfung; denn wer euch zu erfassen weiß, wer euch mit euerer süßen und doch so schmerzlichen Harmonie in sein Inneres einläßt, den führt ihr bis zur Quelle aller Schönheit und aller Liebe. Das Alterthum kennt euch, aber die in der Irre tappende Vernunft seiner angeblichen Weisen hat euere Laute entstellt und in euch nur die unfruchtbare Stimme eines häßlichen Pantheismus gehört. Das Reich des Trösters war noch nicht auf Erden gegründet; er allein sollte der Menschheit zugleich mit der klaren Erkenntniß des schaffenden Geistes den Schlüssel dieser geheimnißvollen Sprache der Natur, dieses mächtigen allgemeinen Sehnens, dessen Geheimniß allein von ihm kommt, verleihen. Heute wissen wir es. Der Geist des Herrn hat den Erdkreis erfüllt [Weish. 1, 7]. Der göttliche Zeuge, welcher unserem Geiste bezeugt, daß wir Kinder Gottes sind [Röm. 8, 16], hat sein kostbares Zeugniß bis zu den Grenzen der Schöpfung gebracht, und die ganze Schöpfung sieht in freudiger Ungeduld dem großen Tage entgegen, welcher ihr diese Kinder Gottes in ihrer Herrlichkeit zeigen wird. Denn da sie um ihretwillen ihre Leiden getheilt, wird sie auch, wie sie, erlöst werden und am Glanze ihrer Throne Antheil haben. „Wie in der That,“ sagt der heilige Chrysostomus, „die Amme eines Königssohnes, wenn derselbe in den Besitz seines väterlichen Reiches tritt, ihren Glücksstern sich erheben sieht, so auch die Schöpfung … Wie die Menschen, wenn ihr Sohn im Glanze einer neuen Würde erscheinen soll, selbst ihre Diener ihm zu Ehren in glänzende Gewänder kleiden, so wird auch Gott der ganzen Schöpfung am Tage der Erlösung und Herrlichkeit seiner Söhne das Gewand der Unverweslichkeit verleihen [In ep. ad Rom. Hom. XIV, 5].“

Das Graduale läßt die Stimme der Christen zu Gott emporsteigen. Sind sie auch nur allzu oft Sünder, die sich der Hilfe von oben unwürdig fühlen, so flehen sie gleichwohl die Unterstützung Gottes an, um seiner Herrlichkeit willen. Denn sie sind trotz ihrer Sünden doch die Krieger des Herrn der Heerschaaren, und ihre Sache ist die seinige. Der Alleluja-Vers zeigt uns die Kirche hienieden arm und verfolgt, welche ihr vertrauendes Gebet zum Throne der Gerechtigkeit ihres Bräutigams emporsendet.

Graduale.

Sei gnädig unseren Sünden, Herr, daß nicht etwa die Heiden sagen: „Wo ist ihr Gott?“

Hilf uns, Gott, unser Heiland; um der Ehre deines Namens willen, o Herr, erlöse uns.

Alleluja, Alleluja.

O Gott, der Du sitzest auf dem Throne und mit Billigkeit urtheilest, sei eine Zuflucht der Armen in der Trübsal.

Alleluja.

Evangelium.

Fortsetzung des heiligen Evangeliums nach Lukas Cap. 5.

In jener Zeit, als Jesum das Volk drängte, um das Wort Gottes zu hören, und er am See von Genesareth stand, sah er zwei Schiffe am See stehen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Da trat er in das eine der Schiffe, welches dem Simon gehörte, und bat ihn, von dem Lande etwas abzufahren. Und er setzte sich und lehrte das Volk aus dem Schiffe. Als er aber zu reden aufgehört hatte, sprach er zu Simon: „Fahr’ hinaus in die Tiefe und werfet eure Netze zum Fange aus!“ Da antwortete Simon und sprach zu ihm: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und Nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen.“ Als sie dies gethan hatten, fingen sie eine große Menge Fische, so daß ihr Netz zerriß. Und sie winkten ihren Genossen, die im andern Schiffe waren, daß sie kommen und ihnen helfen möchten. Und sie kamen und füllten beide Schifflein, so daß sie beinahe versunken wären. Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu Füßen und sprach: „Herr, geh’ weg von mir; denn ich bin ein sündhafter Mensch!“ Denn Staunen hatte ihn ergriffen, und Alle, die bei ihm waren, über den Fischfang, den sie gemacht hatten; desgleichen auch den Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, welche Simons Genossen waren. Und Jesus sprach zu Simon: „Fürchte dich nicht, von nun an wirst du Menschen fangen!“ Und sie führten ihre Schiffe an’s Land, verließen Alles und folgten ihm nach.

Die Prophezeihung Jesu an Simon den Sohn des Jonas ist jetzt erfüllt. Am Tage, da der Heilige Geist herabkam, haben wir die Kraft bewundert, mit welcher der Menschenfischer zum ersten Male sein Netz auswarf. Die Besten in Israel führte er in seinen Maschen zu den Füßen des Heilandes. Aber die Barke Petri sollte nicht lange in den Gewässern Juda’s bleiben. Das bescheidene Fahrzeug gewinnt bald die hohe See und schaukelt nun auf den Wassern, welche nach dem heiligen Johannes die Völker und Nationen bedeuten [Offenb. 17, 15]. Das heftige Brausen, die hohlgehenden Wogen, des Sturmes Ungestüm erschrecken nicht den Fischer vom See Tiberias. Er weiß, daß er den Gebieter über Sonnenschein und Unwetter an Bord hat; Denjenigen, welchem der Abgrund wie ein Kleid ist [Ps. 103, 6]. Durchdrungen von der Kraft aus der Höhe [Luk. 24, 49], hat er über den unermeßlichen Ocean das Netz der apostolischen Predigt geworfen, ein Netz, groß genug, die Welt zu umspannen, das allein die Söhne des großen Fisches [Titul. S. Abercii.], des himmlischen Ichthys [Inscript. Augustod.], an das ewige Gestade bringen soll. Wir groß ist die Aufgabe des Petrus! Hat er auch Gefährten in seinem göttlichen Unternehmen, so beherrscht er doch alle als ihr unbestreitbares Oberhaupt, als der Herr der Barke, in welcher Jesus durch ihn befiehlt, und die Unternehmungen zum allgemeinen Heile lenkt. In recht geeigneter Weise bildet das heutige Evangelium entweder einen einleitenden Ueberblick, oder einen nochmaligen Inhalt voll der Lehren, welche unserer Beherzigung das stets um die Zeit des vierten Sonntags nach Pfingsten fallende Fest des Apostelfürsten vorführt. Aber diese Nähe gestattet uns, eine ausführlichere Darlegung der Ehren, womit der Statthalter Christi umkleidet ist, auf diesen Tag zu verschieben und für jetzt uns an die anderen Geheimnisse zu halten, welche wir in dem heutigen Evangelium gefunden haben.

Die Evangelisten haben uns die Erinnerung an zwei wunderbare Fischzüge erhalten, welche die Apostel in Gegenwart des Herrn gethan. Den einen beschreibt uns der heilige Lucas, das ist der eben besprochene; den anderen berichtet uns der heilige Johannes, und wir haben dessen geheimnißvolle Bedeutung bereits früher, am Mittwoch in der Osterwoche gewürdigt. In dem ersten, welcher aus der Zeit des sterblichen Lebens des Heilandes stammt, wird das Netz aufs Geradewohl ausgeworfen und zerreißt unter der Menge der gefangenen Fische, ohne daß ihre Zahl oder ihre Eigenschaften noch näher von dem Evangelisten bezeichnet werden. Im zweiten Falle aber bestimmt der bereits von den Todten auferstandene Herr, daß sie das Netz zur Rechten der Barke auswerfen sollten, und ohne daß das Garn zerreißt, bringen sie einhundert dreiunfünfzig große Fische an das Ufer, woselbst Jesus sie erwartet, um dieselben dem geheimnißvollen Brod und Fisch beizugesellen, welche Gerichte er selbst zum Festmahle bereitet hatte. Nun erklären die Väter einstimmig diese Fische in beiden Flällen als ein Bild der Kirche; und zwar der Kirche zuerst in der Zeit, dann in der Ewigkeit. Jetzt ist die Kirche eine Menge; sie umfaßt, ohne sie zu zählen, Gute und Böse; nach der Auferstehung wird die Kirche ausschließlich von den Guten gebildet, und es sind deren eine für alle Ewigkeit bestimmte Zahl. „Das Himmelreich gleicht einem Netze,“ sagt der Heiland, „das in’s Meer geworfen wird und allerlei Fische einfängt. Wenn es angefüllt ist, zieht man es heraus, setzt sich an das Ufer und sammelt die guten in Geschirre zusammen, die schlechten aber wirft man hinaus [Matth. 13, 47. 48].“

Die Menschenfischer haben nun, wie der heilige Augustinus sagt, ihre Netze ausgeworfen. Sie haben die ungeheuere Zahl Christen gefangen, die wir ja eben ihrer Massenhaftigkeit wegen bewundern. Sie haben damit die beiden Barken, die Bilder der jüdischen und der heidnischen Menschheit, beladen. Aber was hören wir nun? Die Menge überlastet die Barken, so daß dieselben in Gefahr kommen, Schiffbruch zu leiden. So sehen wir gerade heute, daß die voreilige, unklare Menge für die Kirche eine Last ist. Viele Christen leben schlecht, sie verwirren und behindern dann die Guten. Aber schlimmer noch handeln Jene, welche durch ihre Schismen und ihre Häresien das Netz zerreißen; das sind Fische, die das Joch der Einheit nur in Murren tragen, die nicht zum Festmahle Christi kommen wollen und an sich selbst Gefallen finden. Unter dem Vorwande, daß sie mit den Bösen nicht zusammen leben können, brechen sie die Maschen des apostolischen Garnes und gehen dann fern vom Ufer zu Grunde. An wie vielen Orten haben sie nicht auf diese Weise das ungeheuere Netz des Heiles zerrissen? Die Donatisten in Afrika, die Arianer in Aegypten, in Phrygien Montanus, Manes in Persien und wie viele Andere noch haben in dem Werke der Zerreißung eine traurige Berühmtheit erlangt! Ahmen wir doch ja nicht ihren hochmüthigen Wahnsinn nach. Wenn Gottes Gnade uns gut gemacht hat, so ertragen wir in den Fluthen dieser Zeit die Gesellschaft der Bösen in aller Geduld. Ihr Anblick soll uns weder dazu treiben, wie sie zu leben, noch aus der Kirche auszutreten. Das Ufer ist ja nahe, an welchem die zur Rechten, die Guten, allein zugelassen, während die Bösen in den Abgrund geworfen werden [Aug. Serm. 248-252 passim].

Im Offertorium erfleht die Heerschaar der Christen das Licht des Glaubens, welches allein den Sieg ihr sichern kann. Denn es entdeckt ihr den Feind und seine vielfachen Hinterhalte. Für den Gläubigen hat die Nacht keine Schatten, und die Klarheit der himmlischen Flammen verscheucht von seinen Augen den verhängnißvollen Schlaf, welcher gar bald in Schwäche und Tod übergehen würde.

Offertorium.

Erleuchte meine Augen, daß ich nicht etwa entschlafe zum Tode, daß mein Feind nicht etwa sage: „Ich bin seiner mächtig geworden.“

Die auf dem Altar zur allmächtigen Umwandlung des Opfers dargebrachten Gaben sind ein Bild der Gläubigen selbst. Darum bittet die Kirche im Stillgebet den Herrn gleichzeitig mit diesen Gaben auch unseren widerspenstigen Willen auszuziehen und umzuwandeln. Erinnern wir uns, daß von allen im mystischen Netze zusammengeschleppten Fische, nach der Lehre der Väter, nur diejenigen die Auserwählten des ewigen Ufers sein werden, „welche so leben, daß sie verdienen, von den Fischern der Kirche bei dem Hochzeitsfeste Christi vorgestellt zu werden [Bruno Ast. Expos. in Gen. c. 1].“

Stillgebet.

O Herr, wir bitten Dich, nimm versöhnt unsere Opfer an: und beuge auch unseren widerspenstigen Willen gnädig unter dein Gebot. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

Zweites Stillgebet.

O Gott, unser Heil, erhöre uns, daß Du uns durch die Kraft dieses Sacramentes vor allen Feinden des Leibes und der Seele schützest, und uns hienieden deine Gnade, drüben aber die ewige Herrlichkeit verleihest. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

Ein drittes Stillgebet fügt der Priester nach seiner eigenen Wahl bei.

Gott, welcher der Schwachheit David’s in dem Kampfe gegen den Philistäer Riesen den Sieg verlieh, gibt sich uns in den heiligen Geheimnissen hin. Preisen wir mit dem Psalm, aus welchem die Antiphon zur Communion entnommen ist, seine barmherzige Stärke, welche er im allerheiligsten Sakramente uns mittheilt.

Communion.

Herr, meine Feste und meine Zuflucht und mein Erretter, mein Gott, mein Helfer!

Der heilige Augustinus [Contra Faust. L. XII. 20] nennt das göttliche Geheimniß, in welchem die Kirche täglich ihre gesellschaftliche Einheit hienieden verkündet und wiederherstellt, das Sakrament der Hoffnung. Die wirkliche, obwohl verschleierte Vereinigung des Hauptes und der Glieder beim Festmahle der ewigen Weisheit überwiegt um vieles als ein Unterpfand künftiger Herrlichkeit der wiedergeborenen Menschheit das schmerzliche Harren der Schöpfung, von welcher uns der Apostel in der Tagesepistel redete. Bitten wir in der Postcommunio, daß unsere Flecken ausgetilgt werden und die volle Wirkung dieses Sakramentes nicht hindern mögen, dessen Kraft uns zur höchsten Vollendung des Heiles führen kann.

Postcommunio.

O Herr, wir bitten Dich, die empfangenen Geheimnisse mögen uns reinigen und durch deine Gnadengabe uns beschützen. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

Zweite Postcommunio.

O Herr, wir bitten Dich, die dargebrachte Opfergabe des göttlichen Sakramentes möge uns reinigen und schützen: und auf die Fürbitte der seligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, ferner deiner heiligen Apostel Petrus und Paulus und des heiligen N. (Kirchenpatron) und aller Heiligen – uns von allen Verkehrtheiten reinigen und vor Widerwärtigkeiten bewahren. Durch denselben Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.

Eine dritte Postcommunio fügt der Priester nach eigener Wahl bei.

[Quelle: Das Kirchenjahr von Dom Prosper Guéranger, Abt von Solesmes; Eilfter Band: Die Zeit nach Pfingsten; Mainz 1883; S. 71-86]

Dom Guéranger zum vierten Sonntag nach Pfingsten (1/3)

Der vierte Sonntag nach Pfingsten.

Der vierte Sonntag nach Pfingsten hieß in der abendländischen Kirche lange Zeit der Sonntag Misericordiae, weil man ehedem die Stelle aus dem Evangelium des heiligen Lucas las, die mit den Worten beginnt: „Seid also barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ Nachdem man aber dies Evangelium auf den ersten Sonntag nach Pfingsten übertrug, so rückte das Evangelium des fünften Sonntags auf den vierten vor, das des sechsten auf den fünften u. s. w., bis zum dreiundzwanzigsten. Dieser Wechsel, von dem wir sprechen, fand jedoch bei einer Anzahl Kirchen in einer ziemlich späten Zeit statt […], und allgemein durchgeführt war derselbe erst im 16. Jahrhundert.

Die Lesungen aus den Evangelien wurden selbstverständlich dadurch wesentlich andere, während die Episteln, Gebete und die gesungenen Theile der alten Messen durchweg mit nur wenigen Ausnahmen erhalten blieben. Die Beziehungen, welche die Liturgisten des 11., 12. und 13. Jahrhunderts zwischen den ursprünglichen Evangelien und den übrigen Theilen der Messe für jeden Sonntag entdeckt haben wollten, konnten hienach ferner nicht aufrecht erhalten werden. Wir wollen indessen hier gleich beifügen, daß sie manchmal gar fein ausgedacht und sehr weit hergeholt waren. Gleichwohl war die Kirche weit davon entfernt, diese Schriftsteller zu verdammen oder auch nur das Studium ihrer Werke zu verbieten oder zu erschweren. Denn man fand in denselben nichts gegen den Glauben, wohl aber viele heilsame Erbauung, die häufig aus den authentischen Quellen der alten Liturgie geschöpft war. Auch wir werden nicht verfehlen, Nutzen von ihren Arbeiten zu ziehen. Aber wir wollen dabei nie aus den Augen lassen, daß das Hauptsächlich der Harmonie bei den Messen in der Zeit nach Pfingsten in der Einheit des Opfers selbst zu suchen ist.

Bei den Griechen tritt der Mangel jedes Bestrebens nach methodischer Anordnung noch viel schärfer hervor. Sie beginnen am Tage nach Pfingsten mit der Lesung des heiligen Matthäus und setzen dieselbe ganz nach der Anordnung der Heiligen Schrift fort bis Kreuzerhöhung im Septermber. Dann kommt in derselben Weise der heilige Lukas an die Reihe. Ihre Wochen- und Sonntage werden in dieser Zeit nur nach dem Evangelium des Tages, oder nach dem Evangelisten genannt, dem dasselbe entnommen. So heißt der erste Sonntage nach Pfingsten der erste Sonntag des heiligen Matthäus, und der Sonntag, an welchem wir eben stehen, wird als der vierte Sonntag des heiligen Matthäus bezeichnet.

Zur österlichen Zeit haben wir die Majestät des achten Tages hervorgehoben, welcher an Stelle des jüdischen Sabbats getreten, und der heilige Tag des neuen Volkes geworden ist. „Die heilige Kirche, seine Braut, […] schließt sich dem Werke des Bräutigams an. Sie läßt den Samstag vorübergehen, jenen Tag, den ihr Bräutigam in der düstern Ruhe des Grabes verbrachte; aber vom Glanze seiner Auferstehung umstrahlt, weiht sie von nun an den ersten Tag der Woche der Betrachtung des göttlichen Werkes. Denn jener Tag sah allmählig das geschaffene Licht, die erste Offenbarung des Lebens aus dem Chaos sich entwinden; und er sah dann ihn, den ewigen Glanz des Vaters aus dem Grabe steigen, der uns gesagt hat: ‚Ich bin das Licht der Welt [Joh. 8, 12].‘“

So wichtig erachtete man die sonntägliche Liturgie, welche bestimmt ist, jede Woche so große Erinnerungen wach zu halten, daß die Päpste sich lange sträubten, im Kalender Heiligenfeste mit einem höheren Range als semi-duplex zu bekleiden. Das ist nämlich der Rang des Sonntags und dessen unbestreitbare Rechte wurden damit gewahrt. Erst in der zweiten Hälfte des siebenzehnten Jahrhunderts wich man von dieser strengen Regel ab, und das hatte seine guten Gründe. Man war nämlich in die Nothwendigkeit versetzt, wirksamer als seither den Angriffen zu begegnen, welche seitens der Protestanten und der ihnen nahestehenden Jansenisten auf die Verehrung des Heiligen gemacht wurden. Da mußte man den Gläubigen vor das Auge führen, daß die den Dienern gezollte Ehre der Herrlichkeit des Herrn nichts benimmt. Denn die Verehrung der Heiligen, der Glieder Christi, ist nur eine Folge und Weiterentwickelung derjenigen Verehrung, die man Christus ihrem Haupte schuldet. Man betrachte doch die Sache, wie sie ist. Wir verehren die Heiligen, weil sie Freunde und Nachahmer Christi sind; wenn aber schon die Freundschaft und Nachahmung ein Grund so hoher Verehrung ist, so ist doch damit zugleich der höchste Grad der Ehre demjenigen erwiesen, dessen Freund und Nachahmer sie sind. Darum ist jede Verehrung der Heiligen zugleich eine Verehrung Christi und die Kirche, seine Braut, konnte sich nicht schweigend gegenüber den engen Gesichtspunkten der Neuerer verhalten, welche ja schließlich das Dogma der Menschwerdung verstümmelt hätten, indem sie die damit verbundenen Folgerungen wegschnitten. Man muß aus alledem erkennen, daß nicht ohne besonderen Einfluß des Heiligen Geistes der apostolische Stuhl von dieser Zeit ab einwilligte, verschiedene alte und neue Feste als duples zu erklären; um die feierliche Verwerfung der neuen Häretiker zu stützen, schien es in der That angezeigt, auch an Sonntagen, welche ganz besonders für die feierlichen Kundgebungen des katholischen Glaubens und für die großen Versammlungen der christlichen Familie vorbehalten sind, in minder seltenen Fällen die Heiligen und deren Tugenden zu feiern.

Die sonntägliche Liturgie wurde übrigens keineswegs an den Tagen, an welchem sie einem Heiligenfeste weichen mußte, vollständig über Bord gesetzt. Mag auch der Festtag, welcher auf einen Sonntag fällt, noch so hoch sein, die Gebete erden in Form der Commemoration oder Erwähnung beigefügt, und ebenso wird das Sonntagsevangelium gelesen, welches an solchen Sonntagen an die Stelle des Evangeliums aus Johannes, des sog. letzten Evangeliums, tritt. Wir erinnern noch weiter daran, daß nächst der Beiwohnung der heiligen Messe und der kanonischen Horen, die Betrachtung der in den sonntäglichen Episteln und Evangelien enthaltenen Lehren und berichteten Thatsachen mit zu denjenigen frommen Handlungen gehört, welche uns die Kirche zur Heiligung des Sonntags am dringendsten anempfiehlt.

[Quelle: Das Kirchenjahr von Dom Prosper Guéranger, Abt von Solesmes; Eilfter Band: Die Zeit nach Pfingsten; Mainz 1883; S. 67-71]

Kevelaerer Kreuzweg: 5. Station

Fünfte Station.

Simon von Cyrene trägt das Kreuz.

V. Wir beten Dich an, Herr Jesus, und preisen Dich!

R. Denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöset.

Betrachtung. Wegen der zunehmenden Schwäche des Heilandes fangen die Juden an zu fürchten, ihr Opfer möchte auf dem Wege verbluten und erliegen, und ihnen das grausame Schauspiel der Kreuzigung nicht vergönnt sein. Darum greifen sie einen vorübergehenden Fremdling auf und nötigen ihn, daß er Jesu das Kreuz nachtrage. Simon versteht sich dazu, teils gezwungen, teils aus Mitleid bewogen. Jedenfalls aber zeigten seine Feinde keinen Funken Mitleid, sondern sie wollten nur noch länger an der Qual des Verurteilten sich weiden.

Anmutung. Wie gering ist doch die Hilfe, die Simon meinem Heilande leistete! Konnte er ihm doch nciht das Mindeste abnehmen von jener unendlichen Schuldenlast, welche die ganze sündige Menschheit und auch ich ihm aufgelegt hatte. Diese Last mußte er nach göttlichem Ratschluß selbst und allein tragen, und er trug sie mit vollkommenster Geduld und Ergebenheit. Ach, hätte ich ihm das Kreuz abnehmen können! Doch ich erschwere es ihm täglich durch neue Sünden meines Lebens, besonders durch Ungeduld, Murren, Trotz, und durch die Weigerung, das Kreuz geduldig zu tragen, das seine Vaterhand mir auferlegt.

Gebet. O mein Jesus, besser als Simon von Cyrene kannte ich Deine unermeßliche Liebe zu uns sündigen Menschen. Dennoch habe ich durch Ungeduld, Trotz und Eigenwillen in Ertragung meines Kreuzes Dein schweres Kreuz noch schwerer gemacht. Ich bereue es von Herzen. Ich will nicht mehr Kreuzträger aus Zwang sein, sondern es als eine Ehre betrachten, wenn Du mir durch Trübsal und Leiden Anteil an Deinem Kreuze gewährst. Ich will von jetzt an aus Liebe zu Dir und im Bußgeist Dir auf Deinem Leidenspfade treu nachfolgen, dem Nächsten in der Not gerne helfen und dadurch das Kreuz von Deinen Schultern nehmen und mein Heil im Kreuze suchen. Verleihe mir die Gnade, diesem Vorsatz treu zu bleiben bis in den Tod. Amen.

V. Gekreuzigter Herr Jesus!

R. Erbarme Dich unser.

Barmherzigkeit, mein Jesus!

Trösterin der Betrübten, Hilfe der Schwachen, bitte für mich, daß ich mein Kreuz willig auf mich nehme und Jesu geduldig nachfolge.

„Heilige Mutter, drück die Wunden,
Die Dein Sohn für mich empfunden,
Tief in meine Seele ein.“

Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung! (300 Tage Ablaß.)

Vater unser … Gegrüßet seist Du …

[Quelle: Via dolorosa! Schmerzensweg unseres Herrn oder Kreuzwegbüchlein nebst Andacht zu den sieben Schmerzen Mariä, besonders zum Gebrauche der Pilger in Kevelaer. Von Professor Dr. Bernh. Schäfer; Kevelaer 1911; S. 11-12]

Kevelaerer Kreuzweg: 4. Station

Vierte Station.

Jesus begegnet seiner hl. Mutter.

V. Wir beten Dich an, Herr Jesus, und preisen Dich!

R. Denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöset.

Betrachtung. Das Verlangen, mit Jesus für uns zu leiden, drängte Maria in die nächste Nähe ihres Sohnes. Sie wankt durch die Straßen, den suchend, welchen ihre Seele liebt. Und wie findet sie ihn? Ohne Schönheit, ohne Zierde, als den Verachteten und Letzten der Menschen, den Mann der Schmerzen, umgeben von einer Rotte, die kein Erbarmen kennt. Welch eine schmerzliche Begegnung des Sohnes und der Mutter! Welch ein entsetzlicher Anblick für Mariens Mutterauge: das von Blut und Schmutz entstellte Antlitz des Sohnes, die blutenden Wunden von der Fußsohle bis zum dornengekrönten Haupte, das harte, schwere Kreuz auf seinen Schultern, die spitzen Nägel und sonstige Marterwerkzeuge in den Händen höhnischer Peiniger. Aber welch schreckliche Bitterkeit auch für Jesum selbst beim Anblick der zärtlich geliebten, von Schmerz verzehrten, totenbleichen Mutter!

Anmutung. Warum mußten doch die zwei heiligsten Herzen sich gemeinsam in ein solches Meer von Schmerzen tauchen? Ihre Sorge um die Rettung meiner sündigen Seele hat sie zu so trauriger Begegnung zusammengeführt. Meine Sünden sind das zweischneidige Schwert, das Jesu und Mariä Herz durchbohrte. Christliche Seele, erbebe bei diesem Gedanken, und erwecke Reue über deine Sünden. Auch die kleinste deiner Sünden war Mitursache der Schmerzen des Gottessohnes und der Gottesmutter. Jesu und Mariä Herzen mußten von Weh zerrissen werden wegen der vielfachen sündhaften Begierden und Neigungen aller menschlichen Herzen. Die beiden heiligsten Herzen mußten bluten, um unsere Herzen zu reinigen.

Gebet. O liebster Jesus! o beste aller Mütter! Nicht euer reinstes Herz, nein, das meinige müßte vom Schwerte der Schmerzen durchborht, zerrissen und zermalmt werden. Ich will Buße tun aus der Tiefe meiner Seele, und dadurch euren bittern Schmerz erleichtern. Möge eure schmerzhafte Begegnung mir vorschweben, wenn mir Gefahren zur Sünde begegnen, damit ich standhaft widerstehe. Amen.

V. Gekreuzigter Herr Jesus!

R. Erbarme Dich unser.

Barmherzigkeit, mein Jesus!

Trösterin der Betrübten, schmerzhafte Mutter: erwirke mir bei Deinem göttlichen Sohn die Gnade, daß mein Herz betrübt werde nicht ob des Verlustes irdischer Güter, sondern allein wegen meiner Sünden.

„Heilige Mutter, drück die Wunden,
Die Dein Sohn für mich empfunden,
Tief in meine Seele ein.“

Süßes Herz Mariä, sei meine Rettung! (300 Tage Ablaß.)

Vater unser … Gegrüßet seist Du …

[Quelle: Via dolorosa! Schmerzensweg unseres Herrn oder Kreuzwegbüchlein nebst Andacht zu den sieben Schmerzen Mariä, besonders zum Gebrauche der Pilger in Kevelaer. Von Professor Dr. Bernh. Schäfer; Kevelaer 1911; S. 9-10]