Zur Messe.
Unmittelbar nach dem der allerheiligsten Dreifaltigkeit gewidmeten Feste hat die Kirche in ihren Nocturen die Lesung aus den Büchern der Könige begonnen und ist am heutigen Tage bis zu der Erzählung des Triumphes Davids über den philistäischen Riesen Goliath gelangt. Wer soll nun für die Kirche der wahre David sein, wenn nicht das göttliche Haupt, Christus, der schon seit achtzehn Jahrhunderten das Heer der Heiligen zum Siege führt? Ist nicht sie selbst in Wahrheit die Tochtes des Königs [1. Kön. 17, 25-27], die dem Sieger in jenem Kampfe zwischen Christus und Satan auf dem Calvarienberge verheißen worden: in jenem Kampfe, wo Christus das wahre Volk Isarel rettete, und die dem Herrn der Heerschaaren zugefügte Lästerung rächte? Noch ganz durchdrungen von den Gefühlen, welche dieses Ereigniß aus der heiligen Geschichte in ihrem bräutlichen Herzen entfacht, entlehrt sie im Introitus die Worte Davids [Ps. 26], um die Großthaten des Bräutigams zu besingen und laut das Vertrauen zu bekunden, welches sein Sieg unerschütterlich in ihr gefestigt hat.
Introitus.
Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollt’ ich fürchten? Der Herr ist der Beschirmer meines Lebens, vor wem sollt’ ich zittern? Meine Feinde, die mich quälen, werden kraftlos und fallen zu Boden.
Ps. Wenn ein Heerlager wider mich steht, so soll sich mein Herz nicht fürchten.
Ehre sei dem Vater etc.
Der Herr ist etc.
Trotz ihres Vertrauens auf die Hilfe des Himmels in schlimmen Tagen, erfleht die Kirche doch allezeit den Frieden der Welt von dem allerhöchsten Gott. Wenn angesichts des Kampfes die Braut freudig bei dem Gedanken bebt, daß sich jetzt ihre Liebe erproben könne, so fürchtet dagegen die gemeinsame Mutter für ihre Söhne. Wie manche gegen da in der Prüfung zu Grunde, welche ein ruhiges Leben gerettet hätte! Beten wir mit ihr in der Collecte:
Collecte.
O Herr, wir bitten Dich, gewähre uns, daß durch deine ordnende Leitung nicht blos der Lauf der Welt für uns friedlich hingehe, sondern auch deine Kirche sich ungestörter Hingabe an Dich erfreuen dürfe. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.
Zweite Collecte.
O Herr, wir bitten Dich, bewahre uns vor allen Gefahren des Leibes und der Seele: und durch die Fürbitte der seligsten und glorreichen, allezeit reinen Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und des heiligen N. (nennt den Kirchenpatron) und aller Heiligen – verleihe uns gütiglich Heil und Frieden, damit Dir deine Kirche nach Wegräumung aller Widerwärtigkeiten und Irrthümer mit sicherer Freiheit diene. Durch denselben Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.
Eine dritte Collecte fügt der Priester nach eigener Wahl bei.
Epistel.
Lesung des Briefes des heiligen Apostel Paulus an die Römer Cap. 8.
Brüder! Ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden wird. Denn das Harren des Geschöpfes ist ein Harren auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Denn das Geschöpf ist der Eitelkeit unterworfen, nicht freiwillig, sondern um Dessen willen, der es unterworfen hat auf Hoffnung hin; weil auch selbst das Geschöpf von der Dienstbarkeit der Verderbtheit befreit wird zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, daß alle Geschöpfe seufzen und in den Geburtswehen liegen immer noch. Und nicht allein sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes besitzen, ja wir selbst seufzen innerhalb unser und warten auf die vollendete Aufnahme zu Kindern Gottes, auf die Erlösung unseres Leibes: in Christo Jesu, unserem Herrn.
Die Erstlinge des Geistes sind die Gnade und die Tugenden, die er in unsere Seelen niedergelegt hat, als das Unterpfand des Heils und den Keim künftiger Herrlichkeit. Durch den Glauben im Besitze dieser ersten göttlichen Unterpfänder gefestigt, bewahrt nun die wiedergeborene Menschheit wie einen Stützpunkt im Elende, das sie rings umgibt, das Bewußtsein ihrer hohen Bestimmung. Vergebens müht sich Satan ab, in heißem Ringen die Rechte wiederum zu erkämpfen, welche alte Siege ihm einst über den Menschen verschafft haben. So schwer auch die Vertheidigung eines Landes sein mag, das schon einmal von den Verwüstungen des Feindes heimgesucht worden ist, so bekleidet doch die christliche Hoffnung den Menschen hienieden mit himmlischer Kraft. Bis in das Innere des Vorhangs geht sie hinein [Hebr. 6, 19] und erinnert ihn unaufhörlich an das von dem Apostel hervorgehobene Mißverhältniß zwischen den Mühen des Weges und der unendlichen Fülle der wahren Güter, welche unserer im beseligenden Lichte des Vaterlandes harren. Die göttlichen Verheißungen, das wunderbare Wirken des Heiligen Geistes in der Vergangenheit und Gegenwart verbürgen ihm die Zukunft. Ja noch mehr: die Erde, die ihn trägt, diese schmutzige, finstere Erde, welche ihn heute in der Sinnenwelt befangen hält, regt unmittelbar sein Sehnen nach Höherem an und theilt dasselbe in ihrer Weise. Das ist die Lehre des heiligen Paulus in unserer Epistelstelle. Dieser ungeordnete Wechsel, die fortwährende Unbeständigkeit in der materiellen Schöpfung in Verbindung mit den Zerstörungen durch die Sünde, fordern den schließlichen allgemeinen Triumph über die Verderbniß, welche deren Folge war. Der gegenwärtige Zustand der Welt bietet also auch einen ganz besonderen und sehr sicheren Beweggrund für die heilige Tugend der Hoffnung. Nur die könnten davon überrascht sein, welche keine Ahnung haben, wie hoch der in den übernatürlichen Zustand erhobene Mensch zugleich die seiner Herrschaft unterworfene Welt erhoben haben würde. Aber ihr unvollständiges Wissen würde vergebens anderswo die Erklärung des göttlichen Werkes und den Grund aller Dinge suchen. Die Wahrheit, welche alles auf Erden und im Himmel erklärt, das göttliche Axiom, das Princip und die Grundlage der Welt ist, daß Gott, der nothwendiger Weise alles zu seiner Verherrlichung geschaffen hat, aus freiem Willen die Vollendung dieser höchsten Herrlichkeit in den Triumph seiner Liebe gelegt; und zwar soll dies durch das unaussprechliche Geheimniß geschehen, in welchem Gott mit seinem Geschöpfe eins wird. Da nun die Erlangung dieser Vereinigung mit Gott der einzige Zweck der Schöpfung ist, so ist dieselbe auch das wahre Gesetz, das eigentliche Lebens- und Bildungsgesetz der Schöpfung. Als der Geist über den Wassern schwebte und die ungestaltete Materie für die Zwecke der unendlichen Liebe geeignet machte, da schöpften die verschiedenen zahllosen Elemente und Atome der im Entstehen begriffenen Welt in dieser unendlichen Liebe das Prinzip ihrer weiteren Entwickelungen und Bewegungen. Sie empfingen als einzigen Beruf die Aufgabe, den Geist iin der Leitung des Menschen, des Auserwählten der ewigen Weisheit, zur Vereinigung mit Gott, nach Maßgabe ihrer Eigenschaften zu unterstützen, beziehungsweise ihm als Werkzeug zu dienen. Die Sünde, welche den Bund brach, hätte zugleich auch die Welt zerstört, indem sie derselben den Grund ihres Daseins raubte, wenn nicht die unbegreifliche Geduld Gottes, trotz der ihm wiederfahrenen Schmähungen, das Erlösungswerk gleich in den ersten Plan aufgenommen hätte. Aber der gewaltsame Zustand des Kampfes und der Sühne ersetzte nunmehr den früheren, in welchem die Natur dem Menschen frei und gerne als dem Könige der Schöpfung gehuldigt. Die Vereinigung mit Gott sollte von nun an für die Welt nur noch die Frucht schmerzlichen Ringens sein, und Seufzen und Thränen lange Zeit hindurch den Gesängen des Triumphes und den Freuden der Vereinigung vorher gehen.
Die Menschen, welche kein anderes Gesetz als das des Fleisches kennen, mögen nur Ohren und Herzen den Lehren der positiven Offenbarung verschließen: die Materie selbst wird stets ihren Materialismus verdammen; die Natur, die sie als einzige Autorität anrufen, predigt allen Winden der Welt mit tausend Stimmen das Uebernatürliche. Die durchwühlte, in Folge ihres Falles in der Irre gehende Welt verkündigt in ihrem Elend und in ihrer Angst lauter und eindringlicher als je das erhabene Ziel des gefallenen Königs, dessen Erbtheil sie ist. O ihr geheimnißvollen Leiden der Elemente, ihr unaussprechlichen Seufzer, von denen der Apostel redet, ihr Thränen, welche die Dinge weinen, namenloses Sehnen, welches die Dichter besungen haben [Virg. Aen. I, 462], ihr seid in der That die einzige Poesie in diesem Lande der Prüfung; denn wer euch zu erfassen weiß, wer euch mit euerer süßen und doch so schmerzlichen Harmonie in sein Inneres einläßt, den führt ihr bis zur Quelle aller Schönheit und aller Liebe. Das Alterthum kennt euch, aber die in der Irre tappende Vernunft seiner angeblichen Weisen hat euere Laute entstellt und in euch nur die unfruchtbare Stimme eines häßlichen Pantheismus gehört. Das Reich des Trösters war noch nicht auf Erden gegründet; er allein sollte der Menschheit zugleich mit der klaren Erkenntniß des schaffenden Geistes den Schlüssel dieser geheimnißvollen Sprache der Natur, dieses mächtigen allgemeinen Sehnens, dessen Geheimniß allein von ihm kommt, verleihen. Heute wissen wir es. Der Geist des Herrn hat den Erdkreis erfüllt [Weish. 1, 7]. Der göttliche Zeuge, welcher unserem Geiste bezeugt, daß wir Kinder Gottes sind [Röm. 8, 16], hat sein kostbares Zeugniß bis zu den Grenzen der Schöpfung gebracht, und die ganze Schöpfung sieht in freudiger Ungeduld dem großen Tage entgegen, welcher ihr diese Kinder Gottes in ihrer Herrlichkeit zeigen wird. Denn da sie um ihretwillen ihre Leiden getheilt, wird sie auch, wie sie, erlöst werden und am Glanze ihrer Throne Antheil haben. „Wie in der That,“ sagt der heilige Chrysostomus, „die Amme eines Königssohnes, wenn derselbe in den Besitz seines väterlichen Reiches tritt, ihren Glücksstern sich erheben sieht, so auch die Schöpfung … Wie die Menschen, wenn ihr Sohn im Glanze einer neuen Würde erscheinen soll, selbst ihre Diener ihm zu Ehren in glänzende Gewänder kleiden, so wird auch Gott der ganzen Schöpfung am Tage der Erlösung und Herrlichkeit seiner Söhne das Gewand der Unverweslichkeit verleihen [In ep. ad Rom. Hom. XIV, 5].“
Das Graduale läßt die Stimme der Christen zu Gott emporsteigen. Sind sie auch nur allzu oft Sünder, die sich der Hilfe von oben unwürdig fühlen, so flehen sie gleichwohl die Unterstützung Gottes an, um seiner Herrlichkeit willen. Denn sie sind trotz ihrer Sünden doch die Krieger des Herrn der Heerschaaren, und ihre Sache ist die seinige. Der Alleluja-Vers zeigt uns die Kirche hienieden arm und verfolgt, welche ihr vertrauendes Gebet zum Throne der Gerechtigkeit ihres Bräutigams emporsendet.
Graduale.
Sei gnädig unseren Sünden, Herr, daß nicht etwa die Heiden sagen: „Wo ist ihr Gott?“
Hilf uns, Gott, unser Heiland; um der Ehre deines Namens willen, o Herr, erlöse uns.
Alleluja, Alleluja.
O Gott, der Du sitzest auf dem Throne und mit Billigkeit urtheilest, sei eine Zuflucht der Armen in der Trübsal.
Alleluja.
Evangelium.
Fortsetzung des heiligen Evangeliums nach Lukas Cap. 5.
In jener Zeit, als Jesum das Volk drängte, um das Wort Gottes zu hören, und er am See von Genesareth stand, sah er zwei Schiffe am See stehen; die Fischer aber waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Da trat er in das eine der Schiffe, welches dem Simon gehörte, und bat ihn, von dem Lande etwas abzufahren. Und er setzte sich und lehrte das Volk aus dem Schiffe. Als er aber zu reden aufgehört hatte, sprach er zu Simon: „Fahr’ hinaus in die Tiefe und werfet eure Netze zum Fange aus!“ Da antwortete Simon und sprach zu ihm: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und Nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen.“ Als sie dies gethan hatten, fingen sie eine große Menge Fische, so daß ihr Netz zerriß. Und sie winkten ihren Genossen, die im andern Schiffe waren, daß sie kommen und ihnen helfen möchten. Und sie kamen und füllten beide Schifflein, so daß sie beinahe versunken wären. Als das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu Füßen und sprach: „Herr, geh’ weg von mir; denn ich bin ein sündhafter Mensch!“ Denn Staunen hatte ihn ergriffen, und Alle, die bei ihm waren, über den Fischfang, den sie gemacht hatten; desgleichen auch den Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, welche Simons Genossen waren. Und Jesus sprach zu Simon: „Fürchte dich nicht, von nun an wirst du Menschen fangen!“ Und sie führten ihre Schiffe an’s Land, verließen Alles und folgten ihm nach.
Die Prophezeihung Jesu an Simon den Sohn des Jonas ist jetzt erfüllt. Am Tage, da der Heilige Geist herabkam, haben wir die Kraft bewundert, mit welcher der Menschenfischer zum ersten Male sein Netz auswarf. Die Besten in Israel führte er in seinen Maschen zu den Füßen des Heilandes. Aber die Barke Petri sollte nicht lange in den Gewässern Juda’s bleiben. Das bescheidene Fahrzeug gewinnt bald die hohe See und schaukelt nun auf den Wassern, welche nach dem heiligen Johannes die Völker und Nationen bedeuten [Offenb. 17, 15]. Das heftige Brausen, die hohlgehenden Wogen, des Sturmes Ungestüm erschrecken nicht den Fischer vom See Tiberias. Er weiß, daß er den Gebieter über Sonnenschein und Unwetter an Bord hat; Denjenigen, welchem der Abgrund wie ein Kleid ist [Ps. 103, 6]. Durchdrungen von der Kraft aus der Höhe [Luk. 24, 49], hat er über den unermeßlichen Ocean das Netz der apostolischen Predigt geworfen, ein Netz, groß genug, die Welt zu umspannen, das allein die Söhne des großen Fisches [Titul. S. Abercii.], des himmlischen Ichthys [Inscript. Augustod.], an das ewige Gestade bringen soll. Wir groß ist die Aufgabe des Petrus! Hat er auch Gefährten in seinem göttlichen Unternehmen, so beherrscht er doch alle als ihr unbestreitbares Oberhaupt, als der Herr der Barke, in welcher Jesus durch ihn befiehlt, und die Unternehmungen zum allgemeinen Heile lenkt. In recht geeigneter Weise bildet das heutige Evangelium entweder einen einleitenden Ueberblick, oder einen nochmaligen Inhalt voll der Lehren, welche unserer Beherzigung das stets um die Zeit des vierten Sonntags nach Pfingsten fallende Fest des Apostelfürsten vorführt. Aber diese Nähe gestattet uns, eine ausführlichere Darlegung der Ehren, womit der Statthalter Christi umkleidet ist, auf diesen Tag zu verschieben und für jetzt uns an die anderen Geheimnisse zu halten, welche wir in dem heutigen Evangelium gefunden haben.
Die Evangelisten haben uns die Erinnerung an zwei wunderbare Fischzüge erhalten, welche die Apostel in Gegenwart des Herrn gethan. Den einen beschreibt uns der heilige Lucas, das ist der eben besprochene; den anderen berichtet uns der heilige Johannes, und wir haben dessen geheimnißvolle Bedeutung bereits früher, am Mittwoch in der Osterwoche gewürdigt. In dem ersten, welcher aus der Zeit des sterblichen Lebens des Heilandes stammt, wird das Netz aufs Geradewohl ausgeworfen und zerreißt unter der Menge der gefangenen Fische, ohne daß ihre Zahl oder ihre Eigenschaften noch näher von dem Evangelisten bezeichnet werden. Im zweiten Falle aber bestimmt der bereits von den Todten auferstandene Herr, daß sie das Netz zur Rechten der Barke auswerfen sollten, und ohne daß das Garn zerreißt, bringen sie einhundert dreiunfünfzig große Fische an das Ufer, woselbst Jesus sie erwartet, um dieselben dem geheimnißvollen Brod und Fisch beizugesellen, welche Gerichte er selbst zum Festmahle bereitet hatte. Nun erklären die Väter einstimmig diese Fische in beiden Flällen als ein Bild der Kirche; und zwar der Kirche zuerst in der Zeit, dann in der Ewigkeit. Jetzt ist die Kirche eine Menge; sie umfaßt, ohne sie zu zählen, Gute und Böse; nach der Auferstehung wird die Kirche ausschließlich von den Guten gebildet, und es sind deren eine für alle Ewigkeit bestimmte Zahl. „Das Himmelreich gleicht einem Netze,“ sagt der Heiland, „das in’s Meer geworfen wird und allerlei Fische einfängt. Wenn es angefüllt ist, zieht man es heraus, setzt sich an das Ufer und sammelt die guten in Geschirre zusammen, die schlechten aber wirft man hinaus [Matth. 13, 47. 48].“
Die Menschenfischer haben nun, wie der heilige Augustinus sagt, ihre Netze ausgeworfen. Sie haben die ungeheuere Zahl Christen gefangen, die wir ja eben ihrer Massenhaftigkeit wegen bewundern. Sie haben damit die beiden Barken, die Bilder der jüdischen und der heidnischen Menschheit, beladen. Aber was hören wir nun? Die Menge überlastet die Barken, so daß dieselben in Gefahr kommen, Schiffbruch zu leiden. So sehen wir gerade heute, daß die voreilige, unklare Menge für die Kirche eine Last ist. Viele Christen leben schlecht, sie verwirren und behindern dann die Guten. Aber schlimmer noch handeln Jene, welche durch ihre Schismen und ihre Häresien das Netz zerreißen; das sind Fische, die das Joch der Einheit nur in Murren tragen, die nicht zum Festmahle Christi kommen wollen und an sich selbst Gefallen finden. Unter dem Vorwande, daß sie mit den Bösen nicht zusammen leben können, brechen sie die Maschen des apostolischen Garnes und gehen dann fern vom Ufer zu Grunde. An wie vielen Orten haben sie nicht auf diese Weise das ungeheuere Netz des Heiles zerrissen? Die Donatisten in Afrika, die Arianer in Aegypten, in Phrygien Montanus, Manes in Persien und wie viele Andere noch haben in dem Werke der Zerreißung eine traurige Berühmtheit erlangt! Ahmen wir doch ja nicht ihren hochmüthigen Wahnsinn nach. Wenn Gottes Gnade uns gut gemacht hat, so ertragen wir in den Fluthen dieser Zeit die Gesellschaft der Bösen in aller Geduld. Ihr Anblick soll uns weder dazu treiben, wie sie zu leben, noch aus der Kirche auszutreten. Das Ufer ist ja nahe, an welchem die zur Rechten, die Guten, allein zugelassen, während die Bösen in den Abgrund geworfen werden [Aug. Serm. 248-252 passim].
Im Offertorium erfleht die Heerschaar der Christen das Licht des Glaubens, welches allein den Sieg ihr sichern kann. Denn es entdeckt ihr den Feind und seine vielfachen Hinterhalte. Für den Gläubigen hat die Nacht keine Schatten, und die Klarheit der himmlischen Flammen verscheucht von seinen Augen den verhängnißvollen Schlaf, welcher gar bald in Schwäche und Tod übergehen würde.
Offertorium.
Erleuchte meine Augen, daß ich nicht etwa entschlafe zum Tode, daß mein Feind nicht etwa sage: „Ich bin seiner mächtig geworden.“
Die auf dem Altar zur allmächtigen Umwandlung des Opfers dargebrachten Gaben sind ein Bild der Gläubigen selbst. Darum bittet die Kirche im Stillgebet den Herrn gleichzeitig mit diesen Gaben auch unseren widerspenstigen Willen auszuziehen und umzuwandeln. Erinnern wir uns, daß von allen im mystischen Netze zusammengeschleppten Fische, nach der Lehre der Väter, nur diejenigen die Auserwählten des ewigen Ufers sein werden, „welche so leben, daß sie verdienen, von den Fischern der Kirche bei dem Hochzeitsfeste Christi vorgestellt zu werden [Bruno Ast. Expos. in Gen. c. 1].“
Stillgebet.
O Herr, wir bitten Dich, nimm versöhnt unsere Opfer an: und beuge auch unseren widerspenstigen Willen gnädig unter dein Gebot. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.
Zweites Stillgebet.
O Gott, unser Heil, erhöre uns, daß Du uns durch die Kraft dieses Sacramentes vor allen Feinden des Leibes und der Seele schützest, und uns hienieden deine Gnade, drüben aber die ewige Herrlichkeit verleihest. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.
Ein drittes Stillgebet fügt der Priester nach seiner eigenen Wahl bei.
Gott, welcher der Schwachheit David’s in dem Kampfe gegen den Philistäer Riesen den Sieg verlieh, gibt sich uns in den heiligen Geheimnissen hin. Preisen wir mit dem Psalm, aus welchem die Antiphon zur Communion entnommen ist, seine barmherzige Stärke, welche er im allerheiligsten Sakramente uns mittheilt.
Communion.
Herr, meine Feste und meine Zuflucht und mein Erretter, mein Gott, mein Helfer!
Der heilige Augustinus [Contra Faust. L. XII. 20] nennt das göttliche Geheimniß, in welchem die Kirche täglich ihre gesellschaftliche Einheit hienieden verkündet und wiederherstellt, das Sakrament der Hoffnung. Die wirkliche, obwohl verschleierte Vereinigung des Hauptes und der Glieder beim Festmahle der ewigen Weisheit überwiegt um vieles als ein Unterpfand künftiger Herrlichkeit der wiedergeborenen Menschheit das schmerzliche Harren der Schöpfung, von welcher uns der Apostel in der Tagesepistel redete. Bitten wir in der Postcommunio, daß unsere Flecken ausgetilgt werden und die volle Wirkung dieses Sakramentes nicht hindern mögen, dessen Kraft uns zur höchsten Vollendung des Heiles führen kann.
Postcommunio.
O Herr, wir bitten Dich, die empfangenen Geheimnisse mögen uns reinigen und durch deine Gnadengabe uns beschützen. Durch Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.
Zweite Postcommunio.
O Herr, wir bitten Dich, die dargebrachte Opfergabe des göttlichen Sakramentes möge uns reinigen und schützen: und auf die Fürbitte der seligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria, ferner deiner heiligen Apostel Petrus und Paulus und des heiligen N. (Kirchenpatron) und aller Heiligen – uns von allen Verkehrtheiten reinigen und vor Widerwärtigkeiten bewahren. Durch denselben Jesum Christum, unseren Herrn. Amen.
Eine dritte Postcommunio fügt der Priester nach eigener Wahl bei.
[Quelle: Das Kirchenjahr von Dom Prosper Guéranger, Abt von Solesmes; Eilfter Band: Die Zeit nach Pfingsten; Mainz 1883; S. 71-86]